Raum Schicht Bild IV-V 2004

Rauminstallation für den Eingangsbereich der Werkstatt Galerie, Freiburg

„…Der kleine Leuchtkasten oben an der Wand gegebüber dem Eingang markiert den Ausgangspunkt des Ausstellungskonzeptes. Die Glasplatte besteht aus Resten von Glasmosaiken, die Blaß hier im ehemaligen Atelier von Hans Baumhauer gefunden, zu sich mit ins Atelier genommen und dann zu einer Platte verschmolzen hat. Solche “Baumhauer-Bearbeitungen” scheinen dann gleich mehrfach innerhalb seiner Arbeit auf. Als Fotoaufnahmen bilden sie beispielsweise auch den Rohstoff für die Dia-Projektionen der Wandinstallation. Hier zeigt sich im übrigen sehr gut, was für das Werk des Künstlers grundsätzlich wichtig ist: Blaß geht es um die Naturwahrnehmung und um das Ausloten der Grenzen zwischen Künstlichem und Natürlichem, zwischen Illusion und Wirklichkeit. So ist Blaß durchaus an geometrischen Formen interessiert – das zeigen seine Ellipsen und Kreise, die zur Projektionsfläche der Dias werden. Über den Ellipsen an der Seite hinterläßt die Projektion der lebendig pulsierenden, farbigen Glasschmelz Gestaltungen eine verwischte und auf den Kreisen an der Stirnwand eine scharfe Spur.
Für die Gruppe vom Hinterglasmalereien neben dem Eingang hat sich der Künstler von den Formen und Farben seiner Dia-Projektionen inspirieren lassen und damit erneut den Zusammenhang zu den Werken von Hans Baumhauer hergestellt. Diese Werke verfügen über eine große Assoziationsfläche, man mag an vegetabile Strukturen, an die Luftaufnahmen von Inseln oder an Bilder aus dem Weltraum denken. Vielleicht erahnen Sie aber auch das Kristalline der farbigen, gebrochenen Glasstückchen.
In der Bildserie gegenüber dem Eingang taucht dagegen mit der Ellipse wieder eine geometrische Form auf. Partiell wird sie vom Fragment einer Blütenform überlagert. Blaß hat hier die Grundrisse seiner “Pneumatischen Blüten” aufgegriffen. Diese blütenförmigen Objekte heben und senken sich wie durch eine Atembewegung. Entfaltet bilden sie eine organische, naturnahe Form. Im zusammengefalteten, zweidimensionalen Zustand wirken die Blüten dagegen vollkommen geometrisch – eben so, wie hier, in der Umzeichnung auf den Glasbildern.
Blaß zeigt, dass Geometrie und Natur kein Widerspruch ist, denn zweifellos ist die Natur auch in geometrischen Elementen anwesend und sie arbeitet ja selbst auch mit den Grundgesetzen von Progression, Rhythmus und Durchdringung. Denken Sie an die Spiralform eines Schneckenhauses, oder denken Sie an das Prinzip des Goldenen Schnittes, das sich auch im Aufbau von Blüten, Pflanzen und anderen biologischen Strukturen findet.
Mit seiner Wandinstallation und seinen Hinterglasbildern präsentiert Jan Blaß eine eigenes Naturbild. Das Moment der Bewegung, das wir in allen seinen Arbeiten finden, evoziert zusätzlich den Faktor “Zeit” und verbindet das Vergangene mit der Gegenwart – so wird die Welt in seinen Werken erfahrbar gemacht. Immer wieder haben wir es dabei mit dem Motiv der Formung, also mit der Überführung eines künstlichen Materials in eine konstruierte, geometrische, dabei aber naturnahe Form zu tun. Weitere Gegensatzpaare finden wir in den immer wiederkehrenden Kontrasten von geometrisch – starr und farbpulsierend, begrenzt und unbegrenzt, kristallin und organisch. So sind die Werke von Jan Blaß zwar Artefakte, doch ihre künstliche Formung macht das Verhältnis von Kultur und Natur bewusst, man möchte sie daher “kultürlich” nennen…”

Dr. A. Lechleiter am 23.04.2004